Ich gleite über die Wüste der arabischen Halbinsel nach Nordosten, Richtung Meer. Ich fliege dicht über dem heißen Sand, dann höher, unter blauem Himmel, dann wieder im Sinkflug, der Erde näher. Vor, hinter und unter mir, rechts und links von mir, eine endlos erscheinende Dünenlandschaft. Auf jene folgt die nächste Düne, jetzt größer, höher, steiler, dann eine Salzebene, flimmernd, topfeben und steinhart, dann wieder eine Düne, sanfter, weicher, etwas gestreckter nun, dann die übernächste und die überübernächste, und in der Ferne nichts als Dünen. Schönheit und Feindseligkeit der Wüste ängstigen und begeistern mich gleichermaßen, ihre Stille ist ohrenbetäubend. 

Als das Musikverbotszeichen erlischt, dauert mein Flug schon tausend Jahre, und weit und breit noch immer nur Sand, nichts als Dünen aus Sand. Ich fliege schneller. Plötzlich am Horizont, zunächst unscharf noch und schemenhaft, Anzeichen von Zivilisation, wie eine Ahnung, wie eine Sinnestäuschung, dann, nach weiteren dreihundertachtzig Jahren, Wirklichkeit und größer werdend, erste Wolkenkratzer unter wolkenlosem Himmel, ein Wald von Kränen, ein Meer von Lärm, eine Wüste des Kapitals. Die letzten zwanzig Jahre meines Flugs vergehen wie ein fremder Augenblick, die Stadt rechts und links von mir, vor, hinter und unter mir, wächst ins Unermessliche, Vision und Größenwahn scheinen sich gegenseitig zu befeuern, der Mensch ist klein, das Tempo seiner Taten nahezu obszön. 

Mein über tausendvierhundertjähriger Flug endet hier, ich bin angekommen in Dubai, der Stadt der verwirklichten Extreme, der geschichtslosen Imitate, der kunstfreien Zukunft. 

Angezogen und abgestoßen von dieser Stadt und beides stets zugleich, beuge ich mich erschöpft über meinen Schreibtisch. 

Markus Hechtle